Von Caroline von der Goltz
Die Dohle zählt zu den intelligentesten Vögeln. Treu ist sie und überaus gesellig. Ihr Federkleid schimmert in mattem Schwarz, elegant gleitet sie an Steilhängen entlang, stürzt sich trudelnd in die Tiefe, um dann abrupt die Richtung zu wechseln. Ihre Kunststücke führt sie beeindruckend über dem Himmel von Disentis vor. Für Benedikt Germanier hat sie eine besondere Bedeutung. Benedikt Germanier ist CEO von zai, ein sportlicher Mann, millimeterkurzes Haar, Dreitagebart. Mit einem gewinnbringenden Lächeln und kräftigem Händedruck begrüsst er mich am Eingang der bekannten Ski Manufaktur. Ein mystischer Ort. Unterhalb vom schneebedeckten Luckmanierpass, unmittelbar neben einem gewaltigen Koster. Es ist kein Zufall, dass eine Idee wie zai hier geboren wurde. Die Skitradition wird in Disentis genauso gepflegt wie das Rätoromanische, die vierte Landessprache der Schweiz. «Die Menschen hier sind eigenwillig», sagt Benedikt, «aber auch sehr innovativ». Kaum hat er die Tür der 400 Quadratmeter grossen Manufaktur geöffnet, stehen wir auch schon mitten im Geschehen. Es dampft, pfeift und rauscht. Der Duft von geöltem Zedernholz und Vanille liegt in der Luft. Der Duft eines frischen Skis.
zai ist unter den Ski so etwas wie der Bentley unter den Autos. Zwischen 800 und 1000 Paare verlassen jährlich die Manufaktur. Die meisten bleiben in der Schweiz, viele gehen nach Deutschland, Österreich und Frankreich, aber auch in die USA. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2003 von dem gebürtigen Disentiser und Klosterschüler Simon Jacomet, der nach Abschluss eines Kunststudiums zunächst Skimodelle für Völkl und Salomon entwickelte und die Abfahrer des Schweizer Nationalteams trainierte. 2009 stieg Benedikt als CEO bei zai ein. Auch er war in seinen Zwanzigern erfolgreich als Skilehrer tätig, doch dann verfolgte er eine andere Karriere. Er arbeitete als Ökonom, zuletzt als Chefstratege für eine New Yorker Investmentbank. Desillusioniert von der Finanzwelt beschloss er, das Angebot anzunehmen und zu seinem Lieblingssport zurückzukehren. «Von Simon und den Skibauern lernte ich Dinge, die mir die Wallstreet niemals hätte geben können», sagt Benedikt. Zwei Männer, die ihre Fähigkeiten zu Superkräften vereinten. Zu dem, was zai heute ist.
«Wir sind getrieben davon, die Dinge besser und oft auch anders zu machen», sagt Benedikt Germanier und hält dabei einen Plastikbecher mit Kaffee in der Hand. Hinter ihm schichten zwei Handwerker gerade verschiedenartige Elemente in zwei skiförmige Kassetten. Die Männer arbeiten präzise wie Uhrmacher, die minutiös winzige Zahnräder zu einer Uhr zusammensetzen. Einer arbeitet sich Stück für Stück von der Oberfläche des Skis zum Kern aus Karbon vor, der andere vom Kern bis zur Unterseite. 30 bis 50 Teile verwenden sie je nach Modell. Dann legen sie beiden Kassetten vorsichtig zu einem Sandwich aus Kautschuk, Holz und Stein zusammen und geben es schliesslich in die Presse. Es folgt der wichtigste Arbeitsschritt. 120 Grad und vier Tonnen formen die Einzelteile zu dem, was sie werden sollen – ein testa (Charakterkopf) zum Beispiel, oder eine laisa (Furche). Die rätoromanischen Namen stehen für das Wesen des Skis. Dieser Ski ist ein spada (Schwert). Er hat ein Herz aus Stein. Das ist einzigartig. Es ist der Lieblingsski von Benedikt Germanier. «Mit zai kauft man ein Juwel», sagt er. 7 bis 14 Stunden Zeit nimmt ein Ski in Anspruch, im letzten Arbeitsschritt wird er geschliffen wie ein Rohdiamant. Inzwischen kommen Menschen aus der ganzen Welt, um Zeuge des besonderen Handwerks zu werden.
«zai» ist Rätoromanisch und bedeutet «zäh». Es steht für Widerstandsfähigkeit, Langlebigkeit und Ausdauer. Das gilt auch für die Arbeitsmoral in der Manufaktur. Die Menschen sind bei sich. Sie tun das, was sie lieben. Mit höchster Profession. «Wenn du nach Perfektion strebst, musst du viele Hürden nehmen», sagt Benedikt Germanier. Er spricht aus Erfahrung. Zäh im besten Sinne ist auch der Ski selbst. Ein Paar ist nicht unter 3300 Schweizer Franken zu haben. Neulich kam ein Kunde in die Manufaktur und sagte: «Zai ist der günstigste Ski, den ich je gekauft habe.» Der Mann hatte den Ski vor zehn Jahren erworben und fährt ihn immer noch.
Ein Blick aus dem Fenster reicht, um zu verstehen, dass die raue Landschaft die Arbeit in der Manufaktur inspiriert. Die Berge liegen direkt vor der Tür und die Ski können in jedem Stadium ihrer Entwicklung und unter allen Bedingungen getestet werden. Wann das perfekte Fahrgefühl erreicht ist? Benedikt hält kurz inne. Dann sagt er: «Wir suchen Antworten auf die Fragen des Berges. Leo Tuor hat ein Gedicht für zai geschrieben. Darin heißt es: zai liest die Berge und findet die Linie, spielt im Schnee wie Dohlen am Himmel». www.zai.ch
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