5. Juli 2016 · Storytelling ·

Einfach abgehoben!

Er wird von einem Tenor der Mailänder Skala  ausgebildet und schmettert als Restaurantleiter im Hotel Giardino Ascona schon mal eine Arie. Er züchtet Papageien und fährt das gleiche Motorrad wie Tom Cruise. Und da Mauro Pacchioli auch Pilot ist, nimmt er Hotelgäste mit zu einem Flug über den Lago Maggiore.

Text: Tomas Niederberghaus, Fotos: Cyrus Saedi

«Das Wichtigste zuerst», sagt Mauro: «Wenn der Motor ausfällt, bitte keine Panik bekommen. Dieses Flugzeug lässt sich wie ein Segelflieger landen.» Das ist ein Satz! Und Mauro Pacchioli schmunzelt auch ein wenig, nachdem er ihn ausgesprochen hat. Er selbst weiss viel zu gut, dass wir in der Schweiz sind, wo die Flugzeuge mindestens so präzise gewartet werden wie die Uhrwerke. Zudem ist der 44-jährige Italiener ein erfahrener Pilot. Mit der kleinen weissen Piper Warrior, die vor dem Hangar des Sport- und Militärflughafens Locarno für uns bereitsteht, ist er schon über 500 Mal gestartet und gelandet.

Mauro Pacchioli hat viele Talente und Leidenschaften. Er züchtet Pflanzen und Papageien und lässt sich am Helvetic Music Institute Bellinzona von einem Tenor der Mailänder Scala in klassischem Gesang ausbilden. Im Giardino-Restaurant Aphrodite singt der Maître d’Hôtel schon mal eine Arie zum Dinner. Hotelgäste kennen ihn nur im Jackett. Jetzt trägt er zur Fliegerjacke eine Ray-Ban-Brille und ein Basecap. Er steigt in das Flugzeug und startet den Motor. Ein letzter Sicherheitscheck. Mauro blickt aufs Cockpit, bewegt ein paar Knöpfe, nimmt Kontakt zum Tower auf – dann rollen wir zur Startbahn. Rechts ist eine Tankstelle, etwas weiter steht ein grosser Militärhubschrauber. Kurz bleiben wir stehen. Zur Kontrolle fährt unser Pilot die Maschine im Leerlauf hoch: «Funktioniert picobello.» Wäre der Motor ein Sänger, dann sicherlich ein Bariton.

TICINO - Panorama sul Lago Maggiore con vista sulle Isole di Brissago. Panoramablick ueber den Lago Maggiore und Brissago Inseln. Vue panoramique sur le Lac Majeur et les Iles de Brissago. Panoramic view on the Maggiore Lake and on the Brissago Islands. Copyright by Ticino Turismo Byline:swiss-image.ch/ Edmondo Viselli

«So eine Vecchia Signora muss man mit Eleganz und Feingefühl fliegen.»

Vom Tower kommt das Okay. Mauro schiebt den Gasregler nach vorne. Die Maschine rollt los, wird schneller und schneller. Rechts und links der Startbahn verschwimmen die Lichter zu einer einzigen Leuchtlinie. Wir heben ab! Grandios! Richtung Süden geht es von Locarno über die grünen Brissago-Inseln. Dann fliegen wir über Ascona. 180 Stundenkilometer. Die Boote im Hafen sind prima zu sehen, die Promenade auch, und selbst die Freigeister auf dem Monte Verità würde man erkennen, wenn sie noch wie damals im Lichtkleid tanzend ihr Lebensglück suchten. Ein paar Sekunden später fliegen wir übers Hotel Giardino, für das Mauro seit über 20 Jahren arbeitet. Wir tragen Kopfhörer, sprechen über Mikrofone.

«Wie bist du zur Fliegerei gekommen?», frage ich. «Als Kind habe ich schon mit ferngesteuerten Flugzeugen gespielt», sagt Mauro. «Vor Jahren kam dann ein Wiener Freund für ein Wochenende nach Locarno. Er rief mich an, sagte, er sei gerade gelandet. Dass er selbst geflogen war, stellte sich erst beim Abendessen heraus. Und als ich ihn am Sonntag zum Flughafen brachte, er in die Maschine stieg und mit seinen 24 Jahren davon flog, dachte ich: Cool – das wäre auch was für mich.» Prompt fragte er im Giardino, ob er samstags tagsüber frei haben könne. Drei Jahre später hatte er den Flugschein in der Tasche. Für seine Prüfung musste er alleine nach Sion in die französische Schweiz fliegen; sein bisher weitester Flug führte ihn nach Genua.

Auch wir überschreiten gerade die Grenze nach Italien – in etwa 1800 Meter Höhe. Die Sicht ist perfekt, der Blick reicht bis zu den Alpen. Erhaben fliegen wir über Land und Leute. Unter uns liegt das Städtchen Verbania, hübsche historische Gebäude. In einem wohnt Eros Buratti, der beste Käsehändler der Welt. Und weiter rechts taucht der botanische Garten der Villa Taranto auf, die Kamelien blühen schon. Konrad Adenauer hat dem Anwesen mal eine Tanne gestiftet. «Willst du das Steuer mal übernehmen?», fragt Mauro. «Nun ja, also nein, vielleicht doch. Was muss ich tun?» Ich folge Mauros Anweisungen, greife das Steuer vor mir und halte es ganz ruhig in Händen. «Als Pilot», sagt der Captain, «brauchst du Courage, Disziplin, Konzentration und Respekt für Mensch und Maschine. So eine Vecchia Signora muss man mit Eleganz und Feingefühl fliegen.» Ich schiebe das Steuerrad vor, die alte Dame senkt sich, wir fliegen jetzt direkt auf die Borromäischen Inseln zu. Genauer gesagt auf die grösste der Gruppe, die Isola Bella. Noch so eine alte Dame. Ihr Sommerpalast und der terrassenartig angelegte Park recken sich uns entgegen. Napoleon war auch schon hier. Vorsichtig ziehe ich das Steuer zu mir, und wir gewinnen wieder an Höhe. Wer will nach so einem Erlebnis noch Auto fahren?

Giardino_Mauro Pacchioli (24)

«Fliegen ist für mich wie Singen. Da bin ich in anderen Dimensionen.»

Irgendwo über dem Centovalli – als Copilot habe ich mich inzwischen wieder ausgeklinkt – nimmt Mauro Kontakt zum Tower auf und kündigt unsere Landung an. Wer den Flecken Erde Centovalli getauft hat, muss betrunken gewesen sein. Es ist nur ein Tal, aber es sieht grandios aus. Zerklüftete Felsen in zuweilen dichtem Dschungel. Wasserläufe. Bergketten. Und das Maggiatal. Auch so grün. Irgendwo da unten wohnt Dimitri, der bekannte Clown. Ob er gerade Bälle jongliert? Oder ein Mittagsschläfchen hält? «Schau», sagt Mauro und zeigt auf eine gigantische Mauer. 220 Meter hoch. Es ist die Staumauer, von der schon James Bond in Goldeneye gesprungen ist. Heute stürzen sie sich von dem Damm mit Bungee-Seilen hinab. «Hast du das auch schon mal gemacht, Mauro?», möchte ich wissen. «Nein», sagt der Pilot, setzt zum Lande ug an und bringt die Piper Warrior nach einer Stunde Flug wieder sicher auf den Boden.

In wenigen Stunden wird er wieder in der Aphrodite sein und die Gäste vielleicht mit Caruso überraschen. Bevor wir uns verabschieden, sagt Mauro: «Fliegen ist für mich wie Singen. Da bin ich in anderen Dimensionen. Hoch am Himmel – oder tief in die Arie versunken.» Dann setzt er sich auf seine Kawasaki und braust davon. Er hat das gleiche Modell wie Tom Cruise im Film Top Gun.

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