Mit Geschichte(n) Interesse wecken
Tomas Niederberghaus (54) hat zwölf Jahre in der Wochenzeitung „DIE ZEIT” über Hotels berichtet. Und auch heute geht es dem Storytelling Advisor um gute Geschichten – in seiner Hamburger Agentur für Hotel-PR und -Marketing genauso wie beim Work-shop für PR-Mitarbeiter von Kempinski oder als Gastredner bei einer Medienkonferenz von Accor. Seine Essays und Geschichten sind in mehreren Büchern erschienen.
Forscher fanden heraus, dass ein sanftes Aufwachen zum langfristigen Wohlbefinden des Menschen beiträgt. Den Luxus, sich sanft von der Morgensonne wecken zu lassen, haben aber nur wenige. Philips entwickelte deshalb ein Wake-up Light, eine Lampe, die den Sonnenaufgang imitiert und den Menschen mit einem immer heller werdenden Licht aus dem Schlaf holt. Mit Daten und Fakten wurde die Lampe beworben, hatte am Markt aber nur mäßig Erfolg. Das Unternehmen kreierte daraufhin eine Kampagne in Longyearbyen, der nördlichsten Stadt der Welt. Elf Wochen im Jahr ist es dort stockdunkel. Man lud die Bewohner ein, das Wake-up Light auszuprobieren. Auf Youtube und Facebook schilderten sie ihre Erfahrungen, parallel dazu schickte das Unternehmen Pressemeldungen zu der Geschichte und den persönlichen Geschichten raus. Der mediale Erfolg war enorm!
Geschichten werden behalten und weitererzählt. Und Geschichten wird mehr geglaubt als puren Fakten. Rund 65 Prozent unserer Konversation bestehen aus persönlichen Geschichten, unabhängig von Alter und Geschlecht. Und gerade in der Coronazeit nach der Ausgangssperre hat sich gezeigt, dass diejenigen Hotels im deutschsprachigen Raum, die für ihre Geschichte und Geschichten bekannt waren, über die man schon vorher ge-sprochen hat, schneller wieder gebucht wurden. Und zwar deshalb, weil die Geschichten ihre DNA transportieren und sie aus der Austauschbarkeit vieler Hotels herausholen. Genau diese Hotels waren und sind auch schnell wieder in den Medien. Einfach deshalb, weil sie etwas zu erzählen haben.
Einer auf Storytelling basierenden PR-Arbeit wird in den meisten Hotels kein hoher Stellenwert eingeräumt. Vorsichtig ausgedrückt. Dabei sind Geschichten auch für den Sales-Mitarbeiter wichtig. Denn der ist nur so gut wie das, was er zu erzählen hat. Dass ein Restaurant eine feine Küche präsentiert und bequeme Stühle hat, ist nicht erwähnenswert, sondern selbstverständlich. Wenn der Restaurantleiter aber Papageien züchtet, bei einem professionellen Tenor in der Freizeit eine Gesangsausbildung macht und abends schon mal eine Arie von Puccini zum Dessert schmettert, dass die Gäste vor Rührung eine Gänsehaut bekommen, und wenn man weiß, dass er sogar eine Flugli-zenz besitzt und mit der Piper Warrior zuweilen auch Gäste zu einem Rundflug mitnimmt, dann bleibt das unvergesslich. Und landet als Geschichte in den besten Zeitungen des Landes. Einfach deshalb, weil sie überrascht.
Natürlich hat nicht jedes Hotel so einen Restaurantleiter. Aber jedes Hotel kann mit Geschichten überraschen. Wer viele Jahre in seinem Hotel ist, sieht diese Geschichten selber nicht mehr. Und nimmt sich wohl auch keine Zeit, Mitarbeiter zu besonderen Begebenheiten zu interviewen, um diese Infos als Basis für eine mögliche Geschichte zu verarbeiten. Das ist wie in einer langen Ehe. Da muss einem auch mal von außen jemand sagen, dass man mit einer schönen und interessanten Frau (oder Mann) zusammen ist.
Im Fall des Storytellings macht das eine gute Agentur. Sie recherchiert wie Journalisten und kreiert gemeinsam und in Absprache mit dem Hotel die Geschichten, die für Medien interessant sind. Vor Jahren recherchierte ich für ein Wiener Hotel, das gerade umgebaut wurde, und fand nach vielen Gesprächen und einigem Rumstöbern in den Archiven heraus, dass in dem Gebäude für kurze Zeit ein Bordell beheimatet war. Unsere Headline ‘Vom Bordell zum Grand Hotel’ ging durch alle Medien. Manchmal braucht es auch Mut, einen anderen Weg zu gehen. Wachen Sie auf!
